Erasmus MMXVI (Ausstellung)
In Basel fanden 2016 gleich mehrere Erasmus-Ausstellungen statt. Zwar haben sie teilweise mehr über unsere Ausstellungskultur ausgesagt als über Erasmus, aber auch das kann ja interessant sein.
Historisches Museum
Die Hauptausstellung lief im Historischen Museum: Erasmus MMXVI – Schrift als Sprengstoff. Mit Hilfe einer App manövrierte man durch die Ausstellungsräume, ohne Tablet (bekam man am Eingang; man konnte auch das eigene Smartphone benutzen, falls man die App vorher installiert hatte) ging gar nichts. Das war gewöhnungsbedürftig. Aber vor allem stellte sich die Frage, ob es in diesem speziellen Fall gelungen war.
Hier können Sie lesen, was die NZZ dazu meinte.
Noch experimenteller und virtueller war der Urban Erasmus Trail, der außerhalb des Museums stattfand, im realen öffentlichen Stadtraum. Diesmal marschierte man mit Smartphone, Kopfhörer und App ausgerüstet kreuz und quer durch die Stadt, steuerte alle möglichen Punkte an (“Gehen Sie rasch dorthin!”) und erfuhr dabei, was sich die Macher dieses Trails unter dem aktualisierten Gedankengut des Erasmus vorstellten. Das hatte den zweifelhaften Charme eines drittklassigen Hörspiels aus den 70ern. Mit Erasmus hatte es nicht viel zu tun.
Das ist ganz neu für uns, sagte ein Buchhändler. Sein Laden, das Labyrinth1, war eine der Stationen des Trails. Er selbst hatte die App noch nicht ausprobiert. Eine szenische Lesung, vermutete er. – Und wie läuft das ab, wenn die Leute hier ankommen? – Die sind gar nicht ansprechbar. Die kommen hier herein, mit dem Gerät, und mit den Kopfhörern, und gehen herum und wieder hinaus.
Das Haus, in dem sich das Labyrinth befindet, ist einer der drei Orte, an denen Erasmus in Basel gelebt hat.2 Hier wohnte er von 1521 bis 1529. Im Urban Erasmus Trail erfuhr man darüber nichts. Stattdessen lauschte man einer Hörspielszene, in der während einer Talkshow von einem Kritiker ein Buch verbrannt wird.
Eigentlich glaube ich ja, dass derartige Präsentationsformen eine Zukunft haben: wenn sie gut gemacht sind.
Wahrscheinlich leider auch, wenn sie schlecht gemacht sind.
Münster
Bei einer weiteren, einer kleinen, ganz traditionell gemachten Text-und-Vitrinen-Ausstellung im Münster (Das bessere Bild Christi. Die Ausgabe des Neuen Testaments von 1516), wurden todlangweilige alte Bücher gezeigt. Was einen überhaupt nicht wundert, wenn man erfährt, dass die Universitätsbibliothek dahintersteckte. Ja was sollen die als Leihgeber denn auch leihen, wenn nicht alte Bücher?
Nun, in diesem Fall waren es wirklich sehr alte Bücher. Und sie hatten, anders als beim Urban Erasmus Trail, tatsächlich mit Erasmus zu tun.
Eins davon war für mich von besonderem Interesse: der Codex Basiliensis AN IV 2. Im Vitrinentext wurde er als Luxusausgabe bezeichnet. Vielleicht können Sie sich, wenn Sie die Humanistenverschwörung gelesen haben, an den Prolog in Band 1 erinnern? Es ging, natürlich, um eine alte Handschrift. Voilà, dies ist sie. Wirklich ein sehr handliches Büchlein.3
Thema der Ausstellung bzw. Anlass des ganzen Erasmus-Ausstellungs-Clusters war jenes Werk, an dem im Epilog der Humanistenverschwörung gearbeitet wird: die griechisch-lateinische Ausgabe des Neuen Testaments.
Pharmazie-Historisches Museum
Eine dritte Ausstellung fand im Pharmazie-Historischen Museum statt (Setting Erasmus. Zu Besuch in der Druckerwerkstatt Johannes Frobens). Warum gerade dort?
Mit der Pharmaziegeschichte hatte es nichts zu tun, sondern mit dem Haus, in dem das Museum residiert. Dieses Haus, es befindet sich im Totengässlein und trug früher den Hausnamen Zum Sessel, hat um 1515 dem Baseler Drucker Johannes Froben gehört. Vom Spätsommer 1515 an arbeitete Erasmus bei Froben den Winter hindurch an seinem wichtigsten Werk. Hier in diesem Haus wurde es gedruckt. Die Ausstellung knüpfte an diesen Punkt an und zeigte diverse Dinge, die mit dem Druckerhandwerk zu tun haben, u.a. eine alte Druckerpresse.
In diesem Haus spielt der Epilog der Humanistenverschwörung.
Anmerkungen
- Eine wirklich gut sortierte Buchhandlung. Ich habe sofort etwas gefunden, was ich gar nicht gesucht hatte. ↩
- Haus zur Alten Treu (= alter Hausname), heute Nadelberg 17. ↩
- In die Hand nehmen konnte man es natürlich nicht. Es lag in einer Glasvitrine und war dort weder interaktiv noch wurde es durch Elemente von augmented reality bereichert. Man konnte es einfach nur ansehen. ↩